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- AUTOR MARIA DUPONT DANZEL D'AUMONT
Ist Bereitschaftszeit auch Arbeitszeit?
Neue Urteile vom EuGH
Aktuell hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in zwei Urteilen weitere Kriterien festgestellt, die bei der Beurteilung, ob die Bereitschaftszeit als Arbeitszeit einzuordnen ist, von nationalen Gerichten zu beachten sind.
Ist Bereitschaftszeit auch Arbeitszeit?
Neue Urteile vom EuGH
Dabei hat der EuGH in Luxemburg festgestellt, dass die Bereitschaftszeit, auch in Form der Rufbereitschaft, entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ einzuordnen ist, da die Arbeitszeitrichtlinie keine Zwischenkategorie kennt (EuGH Urteile vom 9.3.21 Az. C 580/19 Rn.30, Az. 344/19 Rn.29). Unter „Bereitschaft“ hat der Gerichtshof in seinen Urteilen allgemein sämtliche Zeiträume zusammengefasst, in denen der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zur Verfügung steht, um auf dessen Verlangen eine Arbeitsleistung erbringen zu können. Unter „Rufbereitschaft“ seien Bereitschaftszeiten zu verstehen, in denen der Arbeitnehmer nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben muss.
Entweder Arbeitszeit oder Ruhezeit – keine Zwischenkategorie
Dabei hat der EuGH in Luxemburg festgestellt, dass die Bereitschaftszeit, auch in Form der Rufbereitschaft, entweder als „Arbeitszeit“ oder als „Ruhezeit“ einzuordnen ist, da die Arbeitszeitrichtlinie keine Zwischenkategorie kennt (EuGH Urteile vom 9.3.21 Az. C 580/19 Rn.30, Az. 344/19 Rn.29). Unter „Bereitschaft“ hat der Gerichtshof in seinen Urteilen allgemein sämtliche Zeiträume zusammengefasst, in denen der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zur Verfügung steht, um auf dessen Verlangen eine Arbeitsleistung erbringen zu können. Unter „Rufbereitschaft“ seien Bereitschaftszeiten zu verstehen, in denen der Arbeitnehmer nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben muss.
Vorabentscheidungsersuchen aus Deutschland und Slowenien
Gegenstand der Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, die aus Deutschland und Slowenien vorgelegt wurden, war jeweils die Frage nach der Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 4. November 2003 („Arbeitszeitrichtlinie“). Die Arbeitszeitrichtlinie dient der Harmonisierung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union (EU) und regelt Mindestruhezeiten und Pausen sowie maximal zulässige Arbeitszeitdauer. In den Urteilen des Gerichtshofs vom 09.03.2021 Az. C 580/19 und Az. C 344/19 ging es in diesem Kontext konkret um die Frage, ob Bereitschaftszeit unter bestimmten Umständen Arbeitszeit ist, auch wenn der Arbeitgeber keine Bestimmungen bezüglich des Aufenthaltsorts des Arbeitnehmers während der Bereitschaft vorgenommen hat.
Neues Kriterium für die Einordnung der Bereitschaftszeit
Zur Entscheidung vorgelegte Einzelfälle
Im Fall aus Deutschland „R.J. gegen die Stadt Offenbach am Main“ verklagte ein Feuerwehrmann seinen Arbeitgeber auf Zahlung von Vergütung für die von ihm geleisteten Bereitschaftsdienste in Rufbereitschaft (EuGH Urteil vom 09.03.2021 Az. C 580/19). Während der Rufbereitschaft konnte der Feuerwehrmann zwar seinen Aufenthaltsort frei wählen, musste jedoch im Einsatzfall in Einsatzkleidung und mit dem Einsatzfahrzeug in 20 Minuten die Stadtgrenze von Offenbach am Main erreichen. Das Verwaltungsgericht Darmstadt setzte das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob diese Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit anzusehen sind, obwohl der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Aufenthaltsort vorgegeben hat, aber der Arbeitnehmer gleichwohl in der Ortswahl und in den Möglichkeiten, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, erheblich eingeschränkt ist.
Das zweite Vorabentscheidungsersuchen reichte der Oberste Gerichtshof (Slowenien) beim EuGH ein. Hier ging es ebenfalls um die Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber „D. J. gegen Radiotelevizija Slovenijaeines“ auf Zahlung von Vergütung für die von ihm geleisteten Bereitschaftsdienste in Rufbereitschaft (EuGH Urteil vom 09.03.2021 Az. C 344/19). Der spezialisierte Techniker arbeitete bei einer Rundfunk-Sendeanlage, die sich auf einem Berggipfel befand und konnte während seiner Rufbereitschaft seinen Aufenthaltsort frei bestimmen. Er musste telefonisch erreichbar und erforderlichenfalls innerhalb von einer Stunde am Arbeitsplatz sein. Sein Arbeitgeber stellte ihm eine Dienstwohnung in der Sendeanlage zur Verfügung. Die tägliche Rückkehr nach Hause war dem Arbeitnehmer aus geografischen Gründen nicht möglich. Auch hier wurde die Frage gestellt, ob diese Bereitschaftszeit als Arbeitszeit zu qualifizieren ist und ob der Umstand, dass der Arbeitnehmer in der Dienstunterkunft am Arbeitsplatz wohnt, weil die die tägliche Rückkehr nach Hause unmöglich ist, auf die Beurteilung Einfluss hat.
Vergütung von Bereitschaftszeiten
Schließlich hat der Gerichtshof erklärt, dass die Frage der Vergütung von Bereitschaftszeiten dem innerstaatlichen Recht unterliegt. Allerdings stellte der EuGH klar, dass die Arbeitszeitrichtlinie den Rechtsvorschriften eines Mitliedstaats nicht entgegensteht, wonach bei der Bemessung der Vergütung für Bereitschaft, die insgesamt als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie zu werten ist, zwischen Zeiten, in denen gearbeitet und solchen, in denen nicht gearbeitet wird, unterschieden wird. Das bedeutet, dass auch wenn die Bereitschaftszeit insgesamt als Arbeitszeit eines Arbeitnehmers zu werten ist, diese Zeit unterschiedlich vergütet werden kann.
Im Ergebnis bleibt das Risiko
Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass der Europäische Gerichtshof in seinen neusten Urteilen seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und fortgeführt hat. Die Bereitschaftszeiten der Arbeitnehmer während der Bereitschaftsdienste oder der Rufbereitschaften müssen demnach im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung von den nationalen Gerichten entweder als Arbeitszeit oder als Ruhezeit eingestuft werden. Maßgebend dabei ist der Grad der Beeinträchtigung des Arbeitnehmers bei seiner Freizeitgestaltung, wobei die Einschränkungen durch den Arbeitgeber oder Rechtsvorschriften bedingt sein müssen. Während die Arbeitszeitrichtlinie laut EuGH keine Zwischenkategorie vorsieht, so dass die Bereitschaftszeit nur „Arbeitszeit“ oder „Ruhezeit“ darstellen kann, sind bei der Vergütung auf nationaler Ebene durchaus Zwischenkategorien möglich. Insbesondere stellt der EuGH fest, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Vergütung für die „Arbeitszeit“ im Rahmen der Bereitschaft mit der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar ist. Bei der Bemessung der Vergütung für die als Arbeitszeit qualifizierte Bereitschaft darf also zwischen Vergütung für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung und Vergütung für nicht erbrachte Arbeitsleistung unterschieden werden.
Fazit ist, dass die Arbeitsvertragsparteien bei der Einordnung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften einem Risiko ausgesetzt sind. Auch die weiteren vom EuGH entwickelten Kriterien vermögen dieses Risiko nicht auszuschließen und stellen lediglich eine Handreichung an die nationalen Gerichte für die Einordnung der Bereitschaft dar. Allerdings werden auch Möglichkeiten deutlich, wie das Risiko durch vertragliche Abreden reduziert werden kann.
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